Sonntag, 2. Juni 2013

Die Männer auf den Feldern

Eineinhalb Meilen entfernt entlang der schmalen geraden Straße in der Gegenrichtung zu der, wo die große Straße verlief, lag um eine Ecke herum, knapp außerhalb der Sichtweite des Weilers, das Mutterdorf Fordlow. Sobald man die Biegung der Straße passiert hatte, veränderte sich die Landschaft. An die Stelle der großen offenen Felder traten Wiesen und Ulmen und kleine rieselnde Bächlein.

Das Dorf war ein kleiner verlorener, einsamer Ort, viel kleiner als der Weiler, ohne Laden, ohne Wirtshaus, ohne Postamt und sechs Meilen entfernt von der Bahnstation. Die kleine, gedrungene Kirche ohne Turm lag zurückgesetzt in einem kleinen Friedhof, der nach jahrhundertelangem Gebrauch viele Fuß über der Straße lag, und das Ganze war von hohen Ulmen um geben, in denen eine Kolonie von Krähen ständig krächzte. Daneben lag das Pfarrhaus, so eingehüllt von Obstbäumen und Büschen, dass man von der Straße nur die Schornsteine sah. Dann folgte das alte Gutshaus im Tudorstil, mit seinen durch Steinrippen getrennten Fenstern, wohinter wir einen Kerker vermuteten.

Zusammen mit der Schule und etwa einem Dutzend Cottages, die von Schäfer, Fuhrmann, Schmied und ein paar anderen angeseheneren Landarbeitern bewohnt waren, machten das Dorf aus. Und selbst diese wenigen Häuser zogen sich so weit, versteckt in Gebüsch und Bäumen hin, dass da überhaupt kein Dorf zu sein schien.

In Lark Rise erzählte man sich gern, dass ein Fremder nach dem Weg nach Fordlow gefragt habe, als er gerade hindurch gegangen war. Im Weiler sah man die Leute vom Dorf als hochnäsig an, während das Dorf auf die "Zigeuner" vom Weiler herab sah.

Mit Ausnahme der zwei oder drei Männer, die oft abends in den Pub in Lark Rise kamen, suchten die Leute vom Dorf den Weiler, der für sie die Wildnis außerhalb der Zivilisation bedeutete, selten auf. Dagegen kannten die Leute vom Weiler dem Weg zum Dorf auswendig, denn die Kirche, die Schule und das Gutshaus, wohin die Männer zur Arbeit gingen, lagen alle im Dorf. Der Weiler hatte nur den Pub.

Frühmorgens, den größten Teil des Jahres schon vor Tagesanbruch, standen die Männer auf, frühstückten  ihr Brot mit Schmalz, schnappten sich die Essenkörbe, die am Vorabend für Sie bereit gemacht worden waren, und eilten über Felder und  Zäune zum Gut. Die Jungen wach zu bekommen war schon schwieriger. Die Mütter mussten sie rufen, schütteln und an manchen Wintermorgen die elf-, zwölfjährigen Jungen regelrecht aus dem Bett ziehen. Dann mussten die Stiefel, die über Nacht am Kamin getrocknet hatten und dabei geschrumpft und hart wie Holz geworden waren, über die Frostbeulen gezogen werden. Wenn dann ein kleiner Junge deshalb weinte, mochte seine Mutter, um ihn zu ermuntern, daran erinnern, das ist ja nur die Stiefel waren und nicht wie früher Lederstrümpfe: "Ein Glück, dass du nicht in der Zeit lebst, als auch die Strümpfe aus Leder waren." Und ihm dann von dem Jungen von früher erzählen, dessen Lederstrümpfe so zusammengebacken waren, dass er eine Stunde brauchte, sie anzuziehen. Dessen Mutter hatte ihn daran erinnert, dass Hiob seine Klagen so geduldig ertragen habe, und der Junge hatte erwidert: "Hiob konnte gut geduldig sein. Der brauchte ja keine Lederstrümpfe zu tragen. "

In den 80er-Jahren gab es keine Lederstrümpfe mehr, sie kamen nur noch in dieser Geschichte vor. Der Fuhrmann, der Schäfer und ein paar alte Landarbeiter trugen noch den traditionellen Arbeitskittel mit dem schwarzen Filzhut, wie ihn früher die Geistlichen getragen hatten. Aber die waren schon recht altmodisch geworden. Die meisten Männer trugen Anzüge aus steifem, dunkelbraunem Cord oder im Sommer Manchesterhosen und eine ungebleichte Drillichjacke, die "Sloppy" genannt wurde.

Die meisten jungen Männer und die in den besten Jahren waren untersetzt, hatten eine gute Größe und rote Gesichter und enorme Kräfte, und brüsteten sich mit dem Gewicht, das sie tragen konnten und dass sie im Leben noch nie Rückenschmerzen gehabt hätten.

Die Alten dagegen waren gebeugt, hatten geschwollene knorrige Hände und hatten Mühe beim Gehen, denn sie spürten die Folge eines Lebens, wo sie bei jedem Wetter im Freien hatten arbeiten müssen, und die meisten von ihnen hatten Rheumatismus. Diese Alten trugen einen breiten grauen Backenbart, der von Ohr zu Ohr reichte. Die Jungen dagegen waren stolz auf ihre walrossartigen Schnurrbärte. Ein oder zwei waren ihrer Zeit voraus rasiert. Aber da man nur am Sonntag zum Rasieren kam, waren sie am Ende der Woche von den anderen kaum noch zu unterscheiden.

Sie sprachen noch den Dialekt, in dem die Vokale nicht nur sehr breit gesprochen, sondern in manchen Wörtern sogar verdoppelt wurden. 'Boy' wurde 'boo-oy', 'coal' 'coo-al', 'pail' 'pay-ull' gesprochen usw.. 
Andererseits wurden auch Silben ineinander verschliffen und Wörter gingen ineinander über wie 'brenbuer' für "bread and butter". Sie hatten Hunderte von Sprichwörtern und Redensarten, und ihre Rede war voll von Vergleichen. Nichts war einfach nur heiß, kalt oder farbig. Es war "heiß wie die Hölle", "kalt wie Eis", "grün wie Gras", "gelb wie eine Guinee" (eine 21-Shilling-Münze). Eine Flickwerkarbeit mit unzureichenden Materialien war "wie Dicks Hutband, das halb herumlief und dann angenäht war", jemanden zu überreden oder zu überzeugen, der nicht darauf reagierte, hieß "einem Umschlag um ein Holzbein machen". Nervös zu sein, war "sein wie eine Katze auf heißen Steinen", wütend zu sein hieß "wütend wie ein Stier". Oder man konnte "arm wie eine Ratte" sein, "krank wie ein Hund", "heiser wie eine Krähe", "hässlich wie die Sünde", "voll der Milch menschlicher Freundlichkeit" oder " stinken vor Stolz ". Eine temperamentvolle Person wurde beschrieben als " entweder oben auf dem Dach oder tief unten im Brunnen". Den typischsten Dialekt konnte man von einigen Männern mittleren Alters hören, die volltönende Stimmen hatten, viel Verstand und eine würdige Aussprache.

Mr. Frederick Grisewood von der BBC gab den alten Oxfordshire-Dialekt in einigen Rundfunksketches vor ein paar Jahren perfekt wieder. Die, die mit dem Dialekt aufgewachsen sind, können über solche Imitationen verrückt werden, aber für eine Zuhörerin ließ er die Vergangenheit wieder aufleben.

Alle Männer verdienten auf den Penny genau gleich viel. Sie arbeiteten unter den gleichen Bedingungen, hatten dieselben Freuden und teilten allen die tägliche Landarbeit. Aber sie selbst unterschieden sich sehr wohl voneinander, so wie andere Menschen ihrer Zeit sich voneinander unterschieden, in Stadt und Land.

Einige waren intelligent, andere schwer von Begriff, einige waren freundlich und hilfsbereit, andere selbstsüchtig, einige lebhaft, andere schweigsam. Wenn ein Fremder den typischen Vertreter der Männer von Oxfordshire gesucht hätte, hätte er ihn nicht gefunden. Freilich hätte er auch den trockenen Humor schottischer Bauern nicht gefunden oder den urwüchsigen Witz und die Weisheit der Bewohner von Thomas Hardys Wessex. Diese Männer waren von schwerblütigerer Art und bewegten sich langsamer. Und doch gab es durchaus hin und wieder einen eindrucksvollen Geistesblitz. Ein Mann sagte, als Edmund weinte, weil seine Elster von ihren tätlichen Übungsflug nicht zurückkehrte: "Nimm's nicht zu schwer, junger Mann, gehe und frag Mrs. Andrews (die Klatschbase des Ortes) und du wirst hören, wo überall die Elster gewesen ist, und sei es, dass sie bis Stratton geflogen ist.

Ihre größte Tugend war Tapferkeit. Schmerzen und Mühen nicht zu scheuen war ihr Ideal. So konnten sie sagen: "Er sagte, sagte er, das Haferfeld muss noch heute eingebracht werden, denn heut Nacht gibt es Regen. " Wir haben nicht geklagt, wir nicht. Die letzte Fuhre war erst um Mitternacht in der Scheune. Wir wären fast nicht mehr nach Hause gekommen, so kaputt waren wir. Aber wir haben nicht aufgegeben. Wir haben's geschafft! " oder "Der Bulle auf mich los, um mich auf die Hörner zu nehmen. Aber ich hatte keine Angst. Ich riss mir ein loses Stück vom Geländer ab und bin ihm entgegen. Da hat er gekniffen. Er war's. Er!"

Oder eine Frau konnte sagten "Ich habe sechs Nächte hintereinander bei meiner kranken Mutter gesessen, bin nie aus den Kleidern gekommen. Aber ich habe es durchgehalten, ich hab sie durchgezogen, denn sie hat auch nicht aufgegeben. " Oder eine junge Frau nach der ersten Geburt zu der Hebamme: "Ich habe es ausgehalten, hab ich etwa geschrien? Ich hoffe doch, ich habe mich gut geschlagen. "

Das Gut war groß. Es erstreckte sich weit über die Gemeindegrenzen hinaus, denn es bestand genau genommen aus mehreren Höfen, die früher verschiedenen Besitzern gehört hatten, aber jetzt zu einem zusammengefasst worden und im Besitz des reichen alten Mannes waren, der in dem Tudor-Gutshof wohnte. Die Wiesen ums Haus reichten für das Grasen der Zugpferde, das Hausvieh und zwei Milchkühe, die die Gutsfamilie und einigeunmittelbare Nachbarn mit Butter und Milch versorgten. Dann gab es ein paar Wiesen, auf denen Heu gemacht wurde. Süßklee und Roggen wurden angebaut und schon grün  als Viehfutter geerntet. Der Rest war Ackerland und erbrachte allerlei  Getreide und Wurzelgemüse, aber hauptsächlich Weizen.

Um das Herrenhaus waren die Wirtschaftsgebäude gruppiert. Ställe für die großen stampfenden zottigen Kaltblüter-Zugpferde. Scheunen mit Toren, die so breit und hoch waren, dass ein beladener Heuwagen hindurch fahren konnte.
Schuppen für die gelb-blau bemalten Wagen des Gutes, Getreidesilos mit Außentreppen und Schuppen zur Lagerung von Ölkuchen, Kunstdünger und anderen landwirtschaftlichen Notwendigkeiten.
Auf dem Hof standen große, spitze, sorgfältig mit Ried gedeckte Heuschober auf Steinfundamenten. Die Molkerei im Haus war zwar klein, aber vorbildlich, sie war mit allem versorgt, was für gute Landwirtschaft notwendig oder wünschenswert war.

Arbeit wurde großzügig eingesetzt. Jungen, die die Schule verließen, wurden selbstverständlich vom Gutshof eingestellt und keinem Soldat, dessen Dienstzeit abgelaufen war oder der sich wegen einer Heirat niederlassen wollte, wurde ich je eine Anstellung verweigert. Wie der Gutsherr sagte, er konnte immer weitere Arbeiter einsetzen, denn Arbeit war billig und das Land wurde bis aufs letzte Fleckchen bearbeitet.
Wenn die Männer und Jungen des Weilers am Morgen beim Gutshof eintrafen, waren der Fuhrmann und seine Helfer schon eine Stunde lang bei der Arbeit beim Füttern und der Vorbereitung der Pferde. Und nachdem sie etwa noch ausstehende Arbeit getan hatten, schirrten die Männer und Jungen an und zogen in langer Reihe in den einzelnen Arbeitsgruppen zu den Feldern, wo ihr Tagewerk anstand.
Wenn es regnete, schnitten sie Säcke auf und zogen sie sich als Kopfschutz und Mantel über. Wenn es frostig war, hauchten sie auf Ihre Finger und schlugen sich auf die Brust, um sich zu wärmen. Wenn Sie nach Ihrem Schmalzbrotfrühstück noch hungrig waren, machten sie sich einen Rübenschnitz und mampften den oder sie nahmen sich ein oder zwei Bissen von dem dunkelbraunen Ölkuchen, der für das Vieh vorbereitet war. Manche der Jungen probierten auch die Talgkerzen der Stalllaternen. Doch das geschah mehr aus Schabernack, denn aus Hunger, denn, so knapp sie auch dran waren, die Mütter achteten immer darauf, daß ihr Tom oder Dick zwischen den Mahlzeiten irgendetwas zu beißen hatte, einen halben Pfannkuchen oder den Rest Rollkuchen vom Vortag.

Mit "Hüh!" und "Hott!" zogen die Teams los. Die Jungen saßen auf dem Rücken der großen Zugpferde, und die Männer, die nebenher gingen, füllten ihre Tonpfeifen mit Krüllschnitt und machten ihre kostbaren ersten Züge des Tages, wenn es dann mit Peitschenknallen, klappernden Hufen und rasselndem Geschirr über die matschigen Feldwege ging. 

Die Flurnamen erzählten die Geschichte der Felder. In der Nähe des Gutshofs erzählten die Namen "Torf", "Fischteich", "Taumhaus" (Taubenhaus),  "Hundezwinger " und "Kaninchenbau " von einer Zeit, bevor das Tudor-Gutshaus die Stelle eines anderen, älteren Baus eingenommen hatte. Weiter: "Lerchenhügel ", "Kuckucksklumpen", " Kopfweide " oder "Teichstück " waren nach natürlichen Gegebenheiten benannt, während “Gibbartsfeld und das “Schmiedsche” wahrscheinlich an sonst längst vergessene Besitzer erinnerten. Die größeren neuen Felder um den Weiler herum waren zu spät vermessen worden, um noch Eigennamen zu erhalten und hießen "Hundertacker" und "Sechzigacker" und so weiter, je nach ihrer Größe. Ein oder zwei von den Alten bestanden darauf, sie "die Heide" oder "Rennpferd" zu nennen.

Für die meisten Männern war ein Name so gut wie der andere. Für sie waren es nur Namen und sie bedeuteten ihnen nichts. Was für sie an den Feldern wichtig war, auf denen sie arbeiteten, war, ob der Weg der vom Gutshof zu ihnen führte, gut oder schlecht war oder ob es eine relativ geschützte Lage hatte oder ob es eines der offenen Felder war, über die der Wind nur so pfiff und den Regen durch die Kleider dringen ließ, dass man nass wurde bis auf die Haut, und ob der Boden leicht zu bearbeiten war oder so schwer war, dass er einem die Knochen brach oder ob er so zusammengepappt war, dass eine Pflugschar kaum durchdringen konnte.

Üblicherweise gab es pro Feld drei oder vier Pflüge, die von einem Team von drei Pferden gezogen wurden, mit einem Jungen vorneweg und dem Pflüger am Griff. So pflügten sie dann den ganzen Tag hin und zurück und durchpflügten das Stoppelfeld mit den dunklen Furchen, die im Laufe des Tages breiter wurden und näher aneinander rückten, bis am Schluss das ganze Feld eine kräftige samtbraune Farbe annahm.

Jedem Pflug folgten Krähen, die die Schollen sorgfältig auf Würmer, Larven und Raupen untersuchten. Und die kleinen Heckenvögel flitzten hin und her, immer bedacht, sich ihren eigenen kleinen Anteil zu sichern. Schafe in den Hürden des benachbarten Feldes blökten klagend und überall das Krächzen und Zwitschern erhoben sich die unvergesslichen Rufe der Landarbeiter “Hüh! Hott! Voran mit dem Schlitten! Mach es, Leichtfuß! Junge, willst du nicht oder bist du taub? Halt dich ran!”

Wenn der Pflug seine Arbeit getan hatte, wurden die Schollen mit der von Pferden gezogenen Walze nieder- gebrochen. Dann wurde die Ecke durchgezogen, um Unkraut und Gras, die diese Felder bewuchsen, heraus zu kämmen und in ordentlichen Haufen zu sammeln, um sie später zu verbrennen und die Luft mit diesem hellblauen Dunst und Geruch zu füllen, den man sein Leben lang nicht vergisst. Dann wurde gesät, die kleinen Pflanzen wurden verzogen und gehackt und zu ihrer Zeit gemäht. Und dann begann das Ganze wieder von vorne.

Maschinen für die Landwirtschaft waren erst dabei aufzukommen. Jeden Herbst kamen zwei große Zugmaschinen, die an beiden Seiten des Feldes aufgestellt einen Pflug mit einem Drahtseil hin und zurück zogen. Sie wurden gemietet und fuhren in dem Bezirk mit ihrem eigenen Dampf zu den verschiedenen Farmen. Dazu gehörte immer ein kleiner Wohnwagen, der " Kasten " genannt, in dem die beiden Fahrer wohnten und schliefen. In den 90er-Jahren, als sie beschlossen hatten, auszuwandern, wollten Lauras beide Brüder nach einander alles über landwirtschaftliche Arbeit lernen und zogen eine Zeitlang mit dem Dampfflug und erschreckten damit die anderen Bewohner des Weilers, die solche Nomaden als Asoziale ansahen. Ihrer Vorstellungskraft reichte noch nicht aus, sich Mechaniker als eine eigene Klasse vorzustellen, und sie rechneten sie zu den Schornsteinfegern, Kesselflickern und anderen, deren Arbeit Gesichter und Kleidung schwarz machten. Doch wurde auch auf Büroangestellte, Kaufleute jeder Art, deren saubere Kleidung und Arbeit ihnen besonderen Respekt hätte einbringen können, als "Schreibtischhengste" herabgesehen. Die Welt, die die Landleute kannten, bestand aus Landbesitzern, Bauern, Gaststättenbesitzern und Landarbeitern mit Fleischer, Bäcker, Müller und Kolonialwarenhändler als Hilfspersonal.

Maschinen, die die Bauern besaßen, wurden von Pferden gezogen und wurden nicht überall eingesetzt.

Auf manchen Feldern wurde eine Sämaschine eingesetzt, auf anderen ging der Sämann mit dem Saatkorb, den er über den Nacken trug, und warf die Körner mit beiden Händen in breiten Würfen. Zur Erntezeit waren zwar Erntemaschinen ein üblicher Anblick, aber sie taten nur einen kleinen Teil der Arbeit. Die Männer mähten immer noch mit Sensen und einige Frauen arbeiteten noch mit der Sichel. Eine Dreschmaschine fuhr von Farm zu Farm und wurden üblicherweise eingesetzt, aber die Ernte ihrer eigenen Felder und der Ährenlese ihrer Frauen droschen die Männer noch mit dem Dreschflegel und worfelten das Korn, indem sie es im Wind von Sieb zu Sieb schütteten.

Die Arbeiter arbeiteten hart und gut, wenn sie meinten, dass die Situation es nötig mache und arbeiteten auch sonst gut durch. Natürlich waren manche bessere Arbeiter als andere, aber die Mehrheit war stolz auf ihre Arbeit und sie erklärten Außenstehenden gern, dass Feldarbeit kein Job für Dummköpfe sei, wie manche Leute von der Stadt es glaubten. Die Dinge mussten ganz exakt gemacht werden und zum richtigen Zeitpunkt, sagten sie. Da gab es so viel zu beachten, dass man sein Leben daran zu lernen hatte.
Ein paar von den weniger kräftig Gebauten pflegten zu sagen: "Wir bekommen zehn Schilling in der Woche und verdienen jeden Penny davon. Aber wir machen auch nicht mehr, darauf achten wir schon genau." Aber bei Arbeiten in Teams mussten auch die Nachlässigeren mit den anderen Schritt halten, und wenn vielleicht auch mal langsamer gearbeitet wurde, so mussten doch alle dran bleiben.
Während die Pflüger mit Teams arbeiteten, arbeiteten andere Männer einzeln oder zu zweit und zu dritt, um zu hacken, zu eggen oder um Dünger auf andere Felder auszubringen.  Andere arbeiteten an den Gräben, um den Wasserabfluss zu sichern, oder sägten Holz, hächselten das Stroh oder waren mit anderen Arbeiten im Bauernhof beschäftigt. Zwei oder drei besonders geschickte Männer mittleren Alters waren bei Einzelarbeiten eingesetzt: Hecken zu pflanzen, Gräben anzulegen, Schafe zu scheren, ein Hausdach auszubessern oder zu mähen, je nach Saison.
Der Fuhrmann, der Schäfer, der Rinderhirt und der Schmied, alle hatten ihre eigenen Spezialaufgaben. Sie waren wichtige Leute, bekamen zwei Schilling Lohn mehr in der Woche und ein mietfreies Cottage in der Nähe des Bauernhofs.
Wenn die Pflüger über die Furchen hinweg einander etwas zuriefen, nannten sie sich nicht Miller, Gaskins oder Tuffrey, nicht einmal Bill, Tom oder Dick, denn alle hatten Spitznamen und reagierten bereitwillig auf Bishie, Pumpkin oder Boamer. Der Ursprung von vielen dieser Namen war vergessen, sogar von den Namensträgern, aber manche waren auf eine persönliche Besonderheit zurückzuführen.
Cockie oder Cock-eye schielte ein wenig, Old Stut stotterte, während Bavour so genannt wurde, weil er das altertümliche Wort Bavour gebrauchte, wenn er zwischendurch etwas essen wollte, obwohl das inzwischen schon durch Lunch oder Lucheon ersetzt worden war. 
Als Edmund ein paar Jahre später auf den Feldern arbeitete, rief der Fuhrmann, der von einer besonders klugen Antwort auf eine Frage beeindruckt war: "Du bist je klug wie Salomo , und ich werde dich Salomo nennen." Und Edmund hieß von von da an im Weiler Salomo, bis er den Weiler verließ. 
Ein jüngerer Bruder von ihm wurde Fischer genannt, doch der Ursprung des Namens war unbekannt. Seine Mutter, die Jungen den Mädchen vorzog, nannte ihn ihren Königsfischer (der Eisvogel heißt auf Englisch kingfisher). 

Manchmal hörte man auf den Feldern statt eines freundlichen Rufs einen schrillen Pfiff. Das war ein Warnhinweis, dass jemand Old Monday, den Gutsverwalter, gesehen hatte. Er pflegte mit seinem Pony über die Felder zu reiten und war so groß, dass seine Füße fast den Boden berührten. Er hatte ein rosiges, eingeschrumpeltes Nussknackergesicht und schwang seinen Eschenstab und rief: "Hallo, hallo Leute, was denkt ihr denn, was ihr tut?"

Er fragte sie scharf aus und fand hier und da etwas auszusetzen, aber er war meist ziemlich gerecht in seinem Umgang mit ihnen. Aber in ihren Augen hatte er einen großen Fehler. Denn er war immer in Eile und wollte sie antreiben, und das konnten sie nicht ausstehen.

Den Spitznamen Old Monday oder Old Monday Morning hatte er vor ein paar Jahren erhalten, als er, weil etwas schief gelaufen war, gerufen haben sollte: "Jetzt ist's zehn Uhr Montag Morgen! Heute ist Montag, morgen ist Dienstag, dann Mittwoch - die halbe Woche ist vorbei und nichts ist geschafft!" Der Name wurde natürlich nur in seiner Abwesenheit gebraucht. In seiner Gegenwart hieß es "Ja, Herr Morris", "Nein, Herr Morris", "Ich sehe zu, was ich machen kann, Herr Morris". Die weniger Mutigen nannten ihn sogar Sir.

Ein Mann arbeitete zusammen mit den Frauen oder doch auf demselben Feld. Er war eine arme, lange, dürre Kreatur, schon ziemlich alt und nicht sehr stark und deshalb hatten sie ihn auf halbe Bezahlung gesetzt. Er war als 'Algy' bekannt und war kein Einheimischer. Er war vor Jahren plötzlich aufgetaucht aus einer Vergangenheit, von der er nie sprach. Er war lang, dünn und ging ziemlich krumm, hatte wässrig blaue Augen und einen blonden Backenbart, der damals weeper  genannt wurde. Manchmal, wenn er sich aufrichtete, konnte man an ihm letzte Spuren einer militärischen Haltung finden, und es gab auch andere Gründe anzunehmen, dass er einmal in der Armee gewesen war. Wenn er etwas angeheitert war, fing er oft an mit: "Als ich bei den Grenadieren stand ...", doch regelmäßig verstummte er kurz darauf. Obwohl seine Stimme schon des Öfteren brach und dann in ein Quieken überging, zeigte er doch eine vage Ähnlichkeit mit einem Mann von Kultur, so wie seine Haltung an den Soldaten erinnerte. Und wenn er erstaunt war, brach er nicht in ein "Verdammt!" aus, sondern rief "Beim Zeus!" Das amüsierte jeden, doch auf das Geheimnis seines Vorlebens warf es kein Licht.

Vor zwanzig Jahren, als seine gegenwärtige Frau seit wenigen Wochen eine Witwe war, hatte er während eines Gewitters an ihre Türe gepocht und um Nachtquartier gebeten. Und seitdem war er da. Er erhielt nie einen Brief und sprach nie von seiner Vergangenheit, auch nicht zu seiner Frau. Es hieß, während der ersten Zeit seiner Feldarbeit hätte er Blasen an den Händen bekommen und geblutet, weil sie so empfindlich waren.

Am Anfang musste es im Weiler eine große Neugier gegeben haben, zu erfahren, was mit ihm war. Aber die hatte sich schon lange gelegt und in den 80er-Jahren hatte er seine Rolle als armseliger Schlappschwanz, über den man Witze machen konnte. Er blieb für sich und arbeitete nach besten Kräften. Das einzige, was ihn durcheinander brachte, war der seltene Besuch der deutschen Kapelle. Sobald er die Blechblasinstrumente und die Trommeln hörte, steckte er die Finger in die Ohren, rannte davon und wurde den ganzen Tag nicht mehr gesehen.

Am Freitagabend, wenn die Arbeit abgeschlossen war, versammelten sich die Männer beim Gutshaus, um ihren Lohn zu erhalten. Der Lohn wurde ihnen vom Gutsherrn selbst durch ein Fenster ausgezahlt und von Ihnen mit Kratzfuß und einem Griff ins Haar quittiert. Der Gutsherr war schon zu alt und zu dick, um noch zu reiten, und obwohl er täglich mit seinen Jagdwagen seinen Besitz visitierte, so musste er sich doch an die Wege halten, und der Zahltag war die einzige Gelegenheit, wo er viele seiner Landarbeiter sah. Wenn es irgendeinen Grund für eine Kritik gab, war das die Gelegenheit, wo sie sie zu hören bekamen.

"Du da! Was hast du am Montag denn gemacht, als du die Rinnsteine hättest säubern sollen" war die Art von Anklage, auf die man immer mit "Verzeihung, ein natürliches Bedürfnis, Herr! " entgegen konnte. Seltener und schwerer wiegend war: "Ich höre, du bist nicht zu eifrig bei der Arbeit in letzter Zeit. So geht das nicht, so geht das nicht! Du musst dein Geld schon verdienen, wenn du hier bleiben willst. "Aber genauso oft war zu hören: "Da Boamer, mein Bursche, einen golden glänzendes Zehnschilling Stück für dich. Pass nur auf, dass du es nicht alles auf einmal ausgibst! " Oder er erkundigte sich nach einer Frau im Kindbett, oder bei den Alten kam die Frage nach dem Rheuma. Er konnte es sich leisten, munter und leutselig zu sein: Er bezahlte den armen Old Monday Morning dafür, für ihn die dreckige Arbeit zu machen.

Abgesehen davon war er kein herzloser Mensch und hatte keine Ahnung davon, dass er seine Arbeiter ausbeutete. Bekamen sie nicht alle den Standardlohn ohne Abzug für Arbeitsausfälle bei schlechtem Wetter?

Wie sie sich und ihre Familie mit dem Lohn durchbrachten, war ihre Sache. Schließlich brauchten sie nicht viel und waren keinen Luxus gewohnt. Er selbst aß gern saftige Rinderlende und trank Portwein dazu, aber Bohnen mit Schinken waren eine bessere Arbeitsgrundlage. "Frugales Mahl, harte Arbeit" war ein gesunder Grundsatz auf dem Land, und die Arbeiter taten gut daran, ihm zu folgen.

Außerdem wurden sie doch mindestens einmal im Jahr bestens traktiert beim Ernteessen. Und dann das Rindfleisch zu Weihnachten, wenn er schlachtete,. Und die Suppe und die Milchspeise, die es für jeden gab, der krank war. Sie mussten nur darum bitten und sie abholen. Er mischte sich bei seinen Leuten nicht ein, wenn sie nur ihre Arbeit gut taten. Er nicht! Er selbst war ein treuer Konservativer, ein richtiger Blauer, und wusste, was er wählte, wenn es zur Wahl ging. Aber nie versuchte er, sie bei Wahlen zu beeinflussen, und nie erkundigte er sich, was sie gewählt hatten. Manche Gutsherren taten das, wie er wusste, aber aus seiner Sicht war das eine schmutzige Sache. Und was den Kirchgang betraf, das war Sache des Pfarrers.

Auch wenn sie ihn bei jeder Gelegenheit betrogen und hinter seinem Rücken "der allmächtige Herrgott" nannten, der Gutsherr war bei seinen Leuten beliebt. "Kein schlechter Typ", sagten sie. "Und er tut sein Teil für das Land." Aller Groll galt dem Verwalter. Der Zahltag steigert die Stimmung, auch wenn der Lohn knapp ist und schon für das Notwendigste verplant. Mit dem Stück Geld in der Tasche gingen die Männer viel energiegeladener und ihre Stimmen klangen fröhlicher als sonst.

Wenn sie nach Hause kamen, gaben sie ihre 10 Schilling sofort ihren Frauen und die gaben ihnen einen Schilling als Taschengeld für die kommende Woche zurück. Das war der Brauch auf dem Land. Die Männer arbeiteten für das Geld, und die Frauen gaben es aus. Bei diesem Handel hatten die Männer das bessere Los gezogen. Sie verdienten ihre 10 Schilling mit harter Arbeit, das ist wahr; aber sie arbeiteten an der frischen Luft an einer Arbeit, die ihnen lag und die sie interessierte, und zusammen mit Gleichgesinnten. Die Frauen waren ans Haus gebannt, mit Kochen, Putzen, Waschen und Stopfen und Flicken; dazu kamen ihre ständigen Schwangerschaften und die Kinderschar, die sie zu beaufsichtigen hatten, und außerdem hatten sie Sorgen und Nöte, wie sie mit einem unzureichenden Einkommen auskommen sollten.

Viele Ehemänner rühmten sich damit, dass sie ihre Frau nie fragten, was sie mit dem Geld mache. So lange es genug zu essen gab und Kleidung für jeden und ein Dach über dem Kopf, seien sie zufrieden, sagten sie, und sie schienen das für besonders tugendhaft zu halten und sich für großzügig, vertrauensvoll, feinfühlig. Wenn eine Frau Schulden machte oder sich bei ihrem Mann beschwerte, hieß es: "Du musst lernen, dich nach der Decke zu strecken und den Mantel aus dem vorhandenen Stoff zu schneidern, mein Mädchen." Die Mäntel hätten nicht nur einen sehr speziellen Schnitt gebraucht, sondern hätten auch noch elastisch sein müssen.

An hellen Abenden arbeiteten die Männer nach dem Abendbrot noch ein oder zwei Stunden in ihren Gärten oder Landparzellen. Sie waren erstklassige Gärtner und es war ihr Stolz, das früheste oder beste Exemplar der verschiedenen Gemüsesorten hervorgebracht zu haben. Sie profitierten dabei von dem fruchtbaren Boden und dem reichlichen Dünger, den ihnen die Schweinehaltung lieferte; aber gute Pflege hatte auch ihren Anteil. Sie hielten eine ständige Lockerung des Bodens in Wurzelnähe für das Geheimnis des Erfolgs und setzten dafür die Schuffelhacke recht eifrig ein. Das nannten sie "kitzeln". "Kitzle die alte Mutter Erde und mach sie fruchtbar!" riefen sie einander zu, oder sie begrüßten einen Nachbarn, im Vorbeigehen mit : "Na, Jack, du kitzelst sie gerade wieder?"

Die Energie, die sie nach einem harten Tag auf dem Feld für ihre Gartenarbeit aufbrachten, war bewundernswert. Sie scheuten keine Mühe und schienen unermüdlich. Oft konnte man in mondhellen Frühlingsnächten die einsame Grabgabel von jemandem hören, der sich nicht von der Arbeit hatte losreißen können und der Geruch seines Grasfeuers wehte ins Fenster hinein.

Auch war es schön, im Sommerdämmerlicht, vielleicht weil bei heißem Wetter das Wasser sehr knapp war, Wasser auf den ausgedörrten Boden plätschern zu hören, das vom Bach geholt worden war, der eine Viertelmeile entfernt floss. "Es ist nicht gut, am Boden zu sparen", pflegten sie zu sagen. "Wenn du etwas rausbekommen willst, musst du auch etwas reinstecken und wenn's nur Arbeitsschweiß ist."

Ihre Parzellen waren in zwei Hälften aufgeteilt. In der einen bauten sie Kartoffeln an, in der anderen Weizen oder Gerste. Die Hausgärten waren für Gemüse, Johannisbeer- und Stachelbeerbüsche und einige altmodische Bauernblumen bestimmt. Stolz waren sie auf ihren Sellerie, die Erbsen und Bohnen, auf Blumenkohl und Kürbisse. Und so gute Produkte sie davon auch ernten konnten, die meiste Arbeit steckten sie doch in die Kartoffeln, denn davon mussten sie genug ernten, dass sie für ein ganzes Jahr vorhielten.

Sie bauten alle traditionellen Sorten an: Eschenblatt Niere, frühe Rose, amerikanische Rose, magnum bonum, und die riesige merkwürdig geformte Sorte "weißer Elefant". Jeder wusste, dass der Elefant eine unbefriedigende Kartoffel war, die ganz schwierig zu schälen war und sich beim Kochen in einen weißen Brei verwandelte, aber sie produzierte Knollen von so erstaunlicher Größe, dass keiner der Männer der Versuchung widerstehen konnte, sie anzubauen. Jedes Jahr wurden besonders große Exemplare in die Gastwirtschaft mitgebracht, um sie auf der einzigen Waage des Weilers zu wiegen und sie dann herumzugeben, damit jeder das Gewicht schätzen sollte. Es war so, wie die Männer sagten, wenn ein Acker mit Elefanten ausgegraben wurde: "Da hat man doch was fürs Auge!"

Für Saatkartoffeln wurde praktisch kein Geld ausgegeben; denn dafür hatte man keins, und so waren sie auf die Kartoffeln aus der eigenen Ernte angewiesen. Manchmal tauschten sie, um den Boden nicht auszulaugen, einen Beutel Saatkartoffeln mit einem Freund, der weiter weg wohnte, und manchmal gab ein Gärtner eines Gutshofs einem von ihnen einige Knollen einer neuen Sorte. Die wurden dann sehr sorgfältig gepflanzt und versorgt, und bei der Ernte wurden einige Exemplare den Nachbarn vorgeführt.

Die meisten der Männer sangen oder pfiffen, wenn sie gruben oder hackten.

Überhaupt wurde damals viel im Freien gesungen. Die Arbeiter sangen, die Fuhrleute mit Pferd und Wagen sangen auf der Straße, der Bäcker, der Müller und der Fischverkäufer sangen, wenn sie von Tür zu Tür zogen, sogar der Doktor und der Pfarrer summten auf ihren Runden vor sich hin.

Die Leute waren ärmer und hatten nicht den Komfort und die Vergnügungen oder die Kenntnisse wie wir heute; aber sie waren glücklicher. Das scheint darauf zu deuten, dass es mehr auf den Gemüts- und Gesundheitszustand ankommt als auf finanzielle Möglichkeiten und Ereignisse.

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